Karlsruhe interaktiv – wichtige Website-Funktionen

Menü
eService
Direkt zu
Suche
Karlsruhe interaktiv – wichtige Website-Funktionen

Blick in die Geschichte Nr. 144

vom 20. September 2024

"Pionier des Radfahrerthums für Karlsruhe"

Der 1. Karlsruher Bicycle-Klub

von Jutta Dresch

Dass in der Heimat des Laufrad-Erfinders Karl von Drais das Fahrradfahren bald ambitionierte Anhänger hatte, nimmt nicht wunder. Im Jahr 1882 gründete sich der 1. Karlsruher Bicycle-Klub, mit dem das Radfahren erstmals in einem Karlsruher Sportverein organisiert wurde. Der Verein gehörte zu den Initiatoren der 1890 im Karlsruher Stadtgarten eröffneten Radfahrbahn, die unter Einhaltung detaillierter Nutzungsbedingungen und einer strengen Kleiderordnung gegen Gebühr von geübten und ungeübten Radfahrern und Radfahrerinnen genutzt werden durfte.

Das Angebot des 1. Karlsruher Bicycle-Klubs war vielfältig. Schon in seinem Gründungsjahr wurde dem Verein die Ausstellungshalle für "Velocipede-Uebungsstunden" - also zum Erlernen des Radfahrens - zur Verfügung gestellt. Das fern ab vom Verkehr durchgeführte Kunstrad- und Reigenfahren war fester Bestandteil des Vereinslebens. Rennen wurden bei den mehrfach organisierten "Frühjahrs-Radwettfahrten" auf der Rennbahn im Stadtgarten durchgeführt. Dabei gab es zum Beispiel 1891 gemäß der Karlsruher Zeitung vom 2. Juni 1891 folgende neun Angebote: Eröffnungsfahren für Tourenzweiräder (Strecke: 2 km, Siegerzeit: 3:45,2 min), Sicherheitszweiradfahren (3 km, 5:51,8 min), Dreiradfahren (3 km, knapp 8 min), Vereinsfahren (2 km, 4:34,6 min), Hochradfahren (3 km, 6:23,4 min), Stadtgartenfahren (4 km, 7:53,2 min), Jugendfahren (800 Meter: keine Siegerzeit), Hauptfahren für Zweiräder jeder Art (5 km, 9:29,2 min), Zweiradfahren für doppelsitzige Sicherheitsmaschinen (4 km, keine Siegerzeit). Der gesellige Teil des Vereinslebens stand wohl bei den sonntäglichen Ausfahrten in die badische und pfälzische Umgebung im Vordergrund. Der Verein pflegte Kontakte zu anderen Fahrrad-Vereinen und nahm vielfach an deren Veranstaltungen teil. Der 1. Karlsruher Bicycle-Klub war im 1884 gegründeten deutschen Radfahrerbund organisiert und gehörte dessen Gau V (Baden) an. Nach mehreren Wechseln im Vorstand übernahm Karl Dieber (1853-1915) das Amt des Ersten Vorsitzenden. Im Karlsruher Adressbuch von 1897 ist er als solcher genannt.

Karl Dieber (1853 - 1915), erster Vorsitzender des 1. Karlsruher Bicycle-Klubs, Foto 1902

Karl Dieber war gelernter Maler und Lackierer mit eigenem Geschäft. Als Mitglied der linksliberalen Freisinnigen Partei war er zunächst Stadtverordneter und ab 1902 Stadtrat. Gleichzeitig wurde er Mitglied in mehreren städtischen Kommissionen. Dieber gab nun seinen Beruf auf. Er lebte fortan als Privatier und engagierte sich in mehreren Ehrenämtern. Im Jahr 1892 war er dem 1. Karlsruher Bicycle Klub beigetreten. Im Jahr 1902 war er zudem Erster Vorsitzender des Gaus V des deutschen Radfahrerbundes. Nicht zuletzt war Karl Dieber Freimaurer und Mitglied der Karlsruher Loge Leopold zur Treue. 1906 wurde er mit dem Orden vom Zähringer Löwen II. Klasse ausgezeichnet.

Fahrradkorso vor dem Schloss, Foto 4. Mai 1902

Im Jahr 1902 feierte der 1. Karlsruher Bicycle-Klub sein 20-jähriges Gründungsjubiläum. Aus diesem Anlass bezeichnete ihn die Badische Presse in ihrer Ausgabe vom 25. Januar 1902 als "Pionier des Radfahrerthums für Karlsruhe". Es war vermutlich die Verbindung der beiden Ämter Karl Diebers im Karlsruher Verein und im badischen Dachverband, die es möglich machten, zum Vereinsjubiläum das "3. Wandersportfest der Gaue 5, 6, 7 und 8" des deutschen Radfahrerbundes in Karlsruhe zu organisieren. Die Veranstaltung wurde für den 3. bis 5. Mai terminiert.

Das Fest des Bicycle-Klubs fand nur eine Woche nach den Feierlichkeiten zum 50-jährigen Regierungsjubiläum Friedrichs I. statt. Der Großherzog Friedrich I. hatte für das Radfahrer-Jubiläum das Protektorat übernommen. Der Karlsruher Oberbürgermeister und Ehrenpräsident Karl Schnetzler fungierte als Vorsitzender des Ehrenausschusses der Veranstaltung. Man erwartete für das "Wanderfest" 50 bis 60 Radfahrvereine aus Baden, Württemberg, Pfalz und Rheinhessen sowie Elsaß-Lothringen mit rund 3.000 Teilnehmern. Das Karlsruher Tagblatt druckte am 2. Mai 1902 das Programm der Veranstaltung ab, die Karlsruher Zeitung und die Badische Landes-Zeitung berichteten in ihren Ausgaben vom 5. Mai 1902 ausführlich über die Veranstaltung.

Die Feierlichkeiten begannen am Samstagabend mit einem Bankett in den Räumlichkeiten des Colosseums, dem Varietétheater in der Karlsruher Waldstraße. Die Kapelle der Unteroffizierschule Ettlingen und Hofopernsänger Hans Keller umrahmten die Veranstaltung musikalisch. Die Hofschauspielerin Mina Höcke trug einen Begrüßungsspruch vor. Der Stadtverordnete und spätere Leiter des Karlsruher Stadtarchivs Robert Goldschmit, der Mitglied im Ehrenausschuss war, brachte zunächst die Huldigung auf den Großherzog aus. Dann hielt Oberbürgermeister Schnetzler eine Rede, die er laut Badischer Landeszeitung mit "humoristischen Worten" einleitete: Darin outete er sich, "daß er noch niemals auf einem Rad gesessen habe; soviel er wisse, komme es dabei hauptsächlich auf die Balance an [...] Bei seinen Gängen müsse er meist Cylinderhut und Frack haben, damit könne er sich aber wohl kaum aufs Rad setzen." Sodann berichtete er über erzürnte Zuschriften von Radfahrern und Radfahrerinnen, die sich bei ihm über das "miserable Karlsruher Pflaster" beschwerten. Einige Vertiefungen seien schon ausgebessert, was aber starke Vertiefungen in die Stadtkasse zur Folge habe. Im Rahmen des bis tief in die Nacht dauernden Banketts wurde Karl Dieber zum Ehrenvorsitzenden des Bicycle-Klubs ernannt.

Der Sonntag war der zentrale Tag des Jubiläums - mit Radrennen, Fahrradkorso, Konzert und abendlicher Festveranstaltung. Hatte es am Samstag noch stark geregnet, so freuten sich die Festteilnehmer nun über das gute Wetter. Bereits ab 6 Uhr morgens wurden zwei Radrennen gestartet. Die 33 km lange, flache Strecke führte vom Schützenhaus im Hardtwald über Eggenstein und Linkenheim nach Graben und zurück. Am ersten Rennen durften nur Mitglieder des deutschen Radfahrerbundes teilnehmen. Die ersten drei Plätze errangen Radfahrer aus Frankfurt, von denen der Sieger 1:02,54 Stunden brauchte und die beiden nächsten im Abstand von jeweils nur einer Sekunde ins Ziel kamen. Das zweite Rennen war offen für alle Männer, auch wenn sie nicht dem deutschen Radfahrerbund angehörten. Sieger war ein Radfahrer aus Heilbronn, der für die Strecke nur 55:30 Minuten benötigte. Nach den Radrennen gab es Frühschoppenkonzerte in den Gasthäusern Landsknecht und Friedrichshof.

Am Sonntagnachmittag fand ein "Großer Preis-Corso mit Blumen-Corso" statt, für den sich die teilnehmenden Radfahrer Punkt 14 Uhr am Linkenheimer Tor aufstellen sollten. Rund 1.500 festlich gekleidete Männer und Frauen aus 62 Vereinen nahmen am Corso teil. Einige Gruppen hatten aus diesem Anlass fahrradbetriebene, mit Blumen geschmückte Festwagen gebaut. Der etwa drei Kilometer lange Corso zog durch die Karlsruher Straßen zum Residenzschloss, um dort dem Großherzog zu huldigen. Friedrich I. und weitere Mitglieder der Fürstenfamilie beobachteten den Zug vom Balkon des Schlosses herab.

Ab 16:30 Uhr wurde im Stadtgarten ein Konzert gegeben. Im großen Saal der Festhalle, den der Karlsruher Stadtrat kostenlos zur Verfügung gestellt hatte, fand ab 18 Uhr ein Bankett mit Fahrradvorführungen statt. Für das Kunstradfahren hatten die Veranstalter u. a. den "Kunstmeisterschaftsfahrer des deutschen Radfahrer Bundes (Amateur)" Max Schönemann aus Leipzig engagiert. Beim Reigenfahren zeigten bis zu acht Radfahrer ihr gemeinschaftliches Können. Zudem wurde ein Radballspiel vorgeführt. Diese Sportart war erst 1901 aus den USA nach Deutschland gekommen und bis zu dieser Vorführung in Karlsruhe noch unbekannt. Der Großherzog und mehrere Mitglieder der Fürstenfamilie nahmen an dieser Festveranstaltung teil.

Zum Abschluss des Wandersportfestes unternahmen die Radfahrer am Montagnachmittag einen Ausflug ins Albtal, wobei die Teilnehmer und Teilnehmerinnen auch ab dem Albtalbahnhof mit der Bahn fahren konnten. Das Jubiläum des 1. Karlsruher Bicycle-Klubs endete schließlich mit einem "Abschiedsschoppen im Krokodil".

Dr. Jutta Dresch, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Badischen Landesmuseums a. D.

-

Kopieren Kopieren Schreiben Schreiben