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vom 15. Dezember 2023
von Volker Steck
In der Erinnerungsstätte Ständehaus im Neuen Ständehaus ist die Reproduktion eines Aquarells von Josef Mariano Kitschker (1879 - 1929) ausgestellt. Der aus München stammende und in Karls-ruhe ansässige Kunstmaler war hauptsächlich als Kirchenmaler tätig. Sein Entwurf aus dem Jahr 1922 zeigt einen figürlichen Schmuck, der über dem Haupteingang des Landtagsgebäudes, des ehemaligen Ständehauses, an der Ritterstraße seinen Platz finden sollte.
Die Grundstruktur der Darstellung war durch die Struktur der Fassade vorgegeben: Unten drei durch Säulen getrennte Felder, darüber ein halbrundes Feld. Kitschker platzierte unten in der Mitte eine weibliche Figur, die auf einem reich mit Arabesken verzierten Sockel steht. Zu beiden Seiten der Figur sah er Inschriftenfelder vor. Im Entwurf waren diese mit Blindtext gefüllt, alphabe-tisch aneinandergereihten Buchstaben, da die In-schrift offensichtlich noch nicht festgelegt war. Interessanter ist die jeweils unterste Schriftzeile, die links die römische Zahl MDCCCVI, rechts MCMXVIII nennt. In diesen Jahren, von 1806 bis 1918, existierte das Großherzogtum Baden, auf das der Künstler wohl anspielt - sicher nicht im Sinn der Mehrheit des republikanischen Land-tags. Darüber befindet sich im Halbrund das Wappen der badischen Republik und die Inschrift "Badischer Landtag".
Kitschkers Entwurf wurde damals nicht umgesetzt, eine Folge der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Nachkriegsjahre, die in der Hyperinflation des Jahres 1923 gipfelte. Nach Überwindung der Krise beschäftigte sich der Landtag ab 1924 mit der schon seit vielen Jahren überfälligen Renovierung der Fassade des Landtagsgebäudes. Die Renovierungsarbeiten wurden aber erst in der Sitzungspause des Parlaments im Sommer 1928 durchgeführt. Bei dieser Gelegenheit erhielt das Parlamentsgebäude auch den figürlichen Schmuck über dem Haupteingang an der Ritterstraße.
Dieser unterschied sich in mehreren Punkten von Kitschkers Entwurf. Unten wurden die seitlichen Inschriften durch Opferschalen auf Kandelabern ersetzt. Die Hände der in der Mitte auf einer Kugel stehenden Göttin der Weisheit deuten auf diese Opferschalen. Über dieser Darstellung findet sich das Motto "Des Volkes Wohl ist oberstes Gesetz" unter dem Wappen der Republik Baden.
Mit der Ausführung wurden zwei Karlsruher Bildhauer beauftragt. August Meyerhuber (1879 - 1963) gestaltete das Staatswappen, das er unten mit seinem Namen und der Jahresangabe versah. Meyerhuber stammte aus einer seit vier Generationen in Karlsruhe ansässigen Bildhauer- und Stukkateursfamilie und leitete ab 1911 den Betrieb, in dem auch sein Bruder Carl tätig war. August Meyerhuber arbeitete für bedeutende Karlsruher Architekten wie Curjel & Moser, Hermann Billing, Friedrich Ostendorf oder Friedrich Beichel. Nach Beichels Entwurf fertigte er 1927 den Indianerbrunnen auf dem Werderplatz.
Karl Wahl (1882 - 1943), zu dessen weiteren Werken das ebenfalls 1928 entstandene Kriegerdenkmal in Linkenheim sowie der Zwerg-Nase-Brunnen auf dem Sonntagplatz in der Südweststadt (1930) zählen, führte die bildlichen Darstellungen unten aus. Das Karlsruher Tagblatt lobte das harmonische Zusammenspiel der drei kreuzförmig angelegten Bildelemente, der Göttin und der Opferschalen auf den Kandelabern, während die Karlsruher Zeitung auf die besondere Art der Ausführung hinwies, einer auf dem Verputz ausgeführten Antragsarbeit mit Sand und Kalk. Anschließend wurden die bildlichen Darstellungen und die Buchstaben der Inschrift vergoldet.
Die Arbeiten wurden am 12. September 1928 enthüllt, am Tag des Wiederzusammentritts des badischen Parlaments nach der Sommerpause. Bereits wenige Jahre später war der badische Landtag jedoch Geschichte, aufgelöst nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Im Zweiten Weltkrieg wurde das ehemalige Landtagsgebäude 1944 bei einem Luftangriff schwer beschädigt. Die Außenmauer mit dem plastischen Schmuck überstand zwar die Bombardierung, die Ruine aber wurde schließlich 1961 abgerissen.
Dr. Volker Steck, Stadthistoriker, Stadt Karlsruhe, Kulturamt, Stadtarchiv und Historische Museen