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vom 15. Dezember 2023
Konservative Politiker verhalfen Ende Januar 1933 den Nationalsozialisten zur Macht, indem sie Adolf Hitler zum Reichskanzler machten. Das bedeutete für die junge, erfolgreiche Fotografin Ellen Auerbach den Beginn eines über zwei Jahrzehnte anhaltenden, ruhelosen Lebens als Emigrantin.
Aufgewachsen ist die am 29. November 1906 in Karlsruhe geborene Tochter der jüdischen Familie Rosenberg in der Ettlinger Straße gegenüber dem Festplatz. Ihre Schulbildung endete am Lessing-Gymnasium mit der Primarreife (Obersekunda). Da sie wenig Neigung zeigte, im väterlichen Geschäft - einer mäßig erfolgreichen Eisenwarenmanufaktur - tätig zu werden, durfte sie ab 1924 Bildhauerei an der Badischen Landeskunstschule studieren. Sie war Schülerin der Bildhauer Georg Schreyögg und Paul Speck sowie der Maler Georg Scholz und Karl Hubbuch. Unsicher, ob sie von der Bildhauerei würde leben können, sah sie in der Fotografie – seit 1926 experimentierte sie mit einer 9 x 12 cm Plattenkamera - die Möglichkeit eines selbstbestimmten Lebens. Deshalb ging sie Ende 1929 als Privatschülerin des Fotografen und Bauhausprofessors Walter Peterhans nach Berlin. In seinem Atelier lernte sie Grete Stern kennen, mit der sie im Frühjahr 1930 das Fotostudio ringl+pit - ihre beiden Spitznamen - gründete. Mit innovativer Werbe- und Porträtfotografie waren sie schnell erfolgreich.
Da die beiden Freundinnen im nationalsozialistischen Deutschland für ihre kreative Arbeit keine Perspektive sahen, verließen sie 1933 das Land. Ellen Rosenberg emigrierte mit ihrem späteren Mann, dem Bühnenbildner und Marxisten Walter Auerbach nach Tel Aviv in Palästina. Wegen der dortigen wirtschaftlichen Notlage gingen beide 1936 nach London. Da sie dort keine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erhielten, heirateten sie 1937, um danach gemeinsam nach Amerika emigrieren zu können. Hier lebten sie, unterstützt von Verwandten Ellens, zunächst in Philadelphia, 1943 zogen sie dann nach New York, wo sie Teil der künstlerischen Emigrantenszene wurden. Am Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 trennten sich Ellen und Walter Auerbach.
In der Nachkriegszeit führte Ellen Auerbach weiterhin ein rastloses Leben. Sie unternahm von 1946 bis 1959 mehrere längere Reisen in den USA sowie nach Südamerika und Europa, wo sie 1953 auch ihre Eltern in Karlsruhe besuchte, die die Deportation nach Gurs überlebt hatten. Allein von ihren Fotostudios weder in Tel Aviv, Philadelphia noch in New York konnte Ellen Auerbach trotz gelegentlicher Aufträge für die Magazine Life und Time nicht leben. Deshalb übernahm sie unterschiedliche Aufträge, unter anderem 1946 bis 1948 die fotografische und filmische Dokumentation einer Studie zum Verhalten von Kindern und Säuglingen in Topeka (Kansas) oder 1954 einen Lehrauftrag für Fotografie in Trenton (New Jersey). Ab Mitte der 1950er-Jahre wandte sie sich dem Zen-Buddhismus zu und begann als Lerntherapeutin zu arbeiten, von 1965 bis 1984 in einem Institut in New York. Dort lebte sie nach mehreren Wohnungswechseln ab 1953 bis zu ihrem Tod am 30. Juli 2004 in einer kleinen Wohnung in der Upper East Side Manhattans.
Ellen Auerbachs fotografisches Werk spiegelt und dokumentiert zugleich ihr Leben zwischen 1933 und 1959. Nach der Werbefotografie der Berliner Jahre gibt es vor allem Porträtaufnahmen sowohl unbekannter Personen wie von Künstlern und Künstlerinnen, darunter Bertolt Brecht in London, Willem de Kooning und Niki de St. Phalle in New York sowie zahlreichen Selbstporträts. Überall, wo sie lebte, und auf ihren zahlreichen Reisen – darunter eine mehrmonatige Fotoreise 1955/56 durch Mexiko - hielt Ellen Auerbach Impressionen von Landschaften, Straßenszenen und Interieurs mit ihrer Kamera fest. Zum fotografischen Nachlass zählen auch vier nur mehrminutige Filme aus den 1930er-Jahren und von 1949.
Große und anhaltende Anerkennung für ihr Werk erfuhr Ellen Auerbach seit Ende der 1970er-Jahre in den USA und Europa in zahlreichen Einzel- wie Gruppenausstellungen und Publikationen. Zu einer Ausstellung in Karlsruhe 1994 besuchte sie ihre Geburtsstadt. Der Berliner Akademie der Künste überließ Ellen Auerbach ihren umfangreichen Nachlass und stiftete zugleich das seit 2006 alle zwei Jahre vergebene Ellen-Auerbach-Stipendium für internationale junge Fotografen und Fotografinnen.
Auf die Frage nach ihrer Heimat antwortete Ellen Auerbach 1998, sie habe ein Zuhause in New York und sei im Übrigen eine „unzureichende Weltbürgerin.“
Dr. Manfred Koch, Stadthistoriker Karlsruhe i. R.