Karlsruhe interaktiv – wichtige Website-Funktionen

Menü
eService
Direkt zu
Suche
Karlsruhe interaktiv – wichtige Website-Funktionen

Blick in die Geschichte Nr. 122

vom 22. März 2019

Biographie Gerhard Leibholz

Der Göttinger Staatsrechtslehrer und langjährige Bundesverfassungsrichter Gerhard Leibholz zählt zu den großen Richterpersönlichkeiten Deutschlands. Von 1951 bis 1971 wohnte er im Karlsruher Musikerviertel.

Gerhard Leibholz (1901 - 1982)

Gerhard Leibholz wurde am 15. November 1901 in Berlin geboren. Seine jüdischen Eltern ließen ihre Kinder lutherisch taufen. Nach dem Abitur studierte Leibholz in Heidelberg Rechtswissenschaften, Philosophie und politische Ökonomie. Bereits 1921 wurde er mit einer Arbeit über J. G. Fichte zum Dr. phil. promoviert. Sein juristisches Studium beendete er in Berlin. Während des Vorbereitungsdiensts beim Kammergericht in Berlin erstellte er eine wegweisende juristische Dissertation über "Die Gleichheit vor dem Gesetz". Nach Assessorenexamen 1926 und Habilitation über das Wesen der Repräsentation erhielt er 1929 einen Ruf auf einen Lehrstuhl für öffentliches Recht und allgemeine Staatslehre an der Universität Greifswald. Zwei Jahre später folgte Leibholz einem Ruf an die Universität Göttingen.

Die glänzend begonnene akademische Karriere erfuhr durch den nationalsozialistischen Rassenwahn eine jähe Unterbrechung. 1935 verlor Leibholz seine Professur. Im September 1938 emigrierte er mit seiner Frau Sabine, geb. Bonhoeffer, und ihren beiden Töchtern nach England. In Deutschland zurückgeblieben waren sein Schwager Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) und sein Jugendfreund Hans von Dohnanyi (1902-1945), die beide als politisch Verfolgte von den Nazis ermordet wurden. Während des Krieges war Leibholz Gastdozent in Oxford und Berater von George Bell (1883-1958), dem Bischof von Chichester. Bell unterstützte die Bekennende Kirche in Deutschland, setzte sich für emigrierte Juden ein, hatte Kontakt zu deutschen Widerstandskreisen und kritisierte das britische Flächenbombardement Deutschlands. Nach Kriegsende hielt Leibholz in den Sommersemestern 1947 bis 1949 zunächst Gastvorlesungen in Göttingen, ehe er dort 1951 wieder einen Lehrstuhl erhielt.

Im September 1951 gehörte Leibholz zur Erstbesetzung des neugeschaffenen und im Prinz-Max-Palais residierenden Bundesverfassungsgerichts, dem er bis 1971 angehörte. Mit seinem 1952 erstellten Gutachten (Statusbericht) trug er maßgeblich dazu bei, dass das Bundesverfassungsgericht gegen den Widerstand des Bundeskanzlers und des Bundesjustizministers den Rang eines eigenständigen Verfassungsorgans erhielt und damit zum Modell einer unabhängigen Verfassungsgerichtsbarkeit in und außerhalb Europas wurde. Leibholz' tatkräftiges Eintreten für den Status des Bundesverfassungsgerichts war nur ein verhältnismäßiger kleiner Teil seiner Aktivitäten, für die Entwicklung des Gerichts erwies es sich jedoch von herausragender Bedeutung. Im Zweiten Senat wirkte er nachhaltig als Berichterstatter für die Bereiche Parlaments-, Parteien- und Wahlrecht und konnte hierbei den zuvor in seinen Schriften entwickelten Konzeptionen praktische Wirksamkeit verleihen.

Am 19. Februar 1982 ist Leibholz in Göttingen verstorben. Im Neureuter "Juristenviertel" wurde 2006 eine Straße nach dem verdienten Staatsrechtler benannt.

Dr. Detlev Fischer, Richter am Bundesgerichtshof Karlsruhe a.D., Leiter des Rechtshistorischen Museums Karlsruhe

-

Kopieren Kopieren Schreiben Schreiben