Karlsruhe interaktiv – wichtige Website-Funktionen

Menü
eService
Direkt zu
Suche
Karlsruhe interaktiv – wichtige Website-Funktionen

Blick in die Geschichte Nr. 102

vom 21. März 2014

"... befehlen wir, Zucht, Erbar- und Keuschheit zu befleißigen ..."

Zur markgräflichen Hofordnung 1750

von Leonhard Müller

"Wie Manches hätte ich Ihnen von so manchen kleinen Höfen, in Sonderheit von Karlsruhe zu schreiben, wo wir den besten Fürsten angetroffen, der vielleicht in Deutschland lebt", so schrieb Johann Gottfried Herder, ein Kritiker der erblichen Monarchie, nach seinem Besuch am Oberrhein. Dies mag sich auf viel spätere Maßnahmen des aufgeklärten Markgrafen beziehen, spiegelt aber auch insgesamt den Geist seiner Ära. Die Hofordnung kann darum als eine Quelle für jene Haltung dienen, die über den Hof hinaus auch die Stadt Karlsruhe, ja die Markgrafschaft prägte.

Solche Hofordnungen gab es seit dem Ende des 13. Jahrhunderts, da sich in Westeuropa, in Deutschland in den aufsteigenden Territorien die Landesherrn bald ein eigenes Zentrum einrichteten, das im straff strukturierten Absolutismus nicht nur Kern der Administration, sondern mit einer Heerschar von Adligen und Hofdienern in Pracht den Glanz des Souveräns manifestierte. Viele deutsche Höfe versuchten ein wenig an solchem Glanz Teil zu haben; nicht so in Karlsruhe, dessen Hof man später quasi eine "bürgerliche" Note gab. So muss man auf jenen Markgrafen zurückblicken, der diesem Hof vorstand.

Carl Friedrich 1728 -1811

1728 geboren, verlor der Enkel des Stadtgründers Carl Wilhelm bald seinen Vater, die Mutter war psychisch krank, und so wurde er von einem Vormund und seiner strengen Großmutter Magdalene von Württemberg in tiefer Religiosität des evangelischen Glaubens erzogen. Eine Studienzeit an der protestantischen Akademie in Lausanne formte ihn, bis er sich auf ausgedehnte Bildungsreisen durch verschiedene Staaten mit ihren Höfen begab, das aber nicht ohne verschiedenen Amouren und vor allem dem Glückspiel zu frönen.

Der Thronfolger Carl Friedrich 1745

Das sollte anders werden, als er 1746 vom Kaiser für volljährig erklärt wurde und der Achtzehnjährige nicht ohne Zögern die Herrschaft übernehmen sollte. Auch bei der Heirat mit Caroline Luise von Hessen-Darmstadt zögerte er, die bald ein Glücksfall für sein Leben und auch für die Markgrafschaft werden sollte.

Die Hofordnung

Die Hofordnung spiegelt in ihren 61 Bestimmungen Prinzipien wider, die schon zuvor deklariert worden waren, die aber nun mit ihrem besonderen Akzent den Regierungsstil des jungen Fürsten dokumentierten. So beginnt die Hofordnung mit einer "Vermahnung zu allem Guten": "Wir wollen und befehlen demnach, dass unsre Fürstlichen Diener und Hof-Gesind, Niemand ausgenommen, sich aller Gotteslästerung, auch ärgerlich und schändlichen Reden und Geberden, dazu des übermäßigen Zutrinkens, als auch welchem Laster allerhand Uebel und Gottes Straf entspringen, gäntzlich enthalten, darneben alle Sonntag und zu andern Festzeiten, desgleichen bey denen Betstunden, so viel es immer seyn kan, fleißig in der Kirch erscheinen."

Hier demonstriert sich das Ethos eines Fürsten, auf der Evangelisch-Augspurgischen Confession fußend, der mit dem religiösen Verantwortungsbewusstsein seiner Stellung als Haupt der Kirche, eingesetzt von Gottes Gnaden, sein Volk zu führen hat, am Hofe für die Adligen wie die Bediensteten, die evangelisch sein sollten. Als 1771 die beiden Markgrafschaften Baden Durlach und das katholische Baden-Baden vereinigt wurden, war Toleranz des katholischen Glaubens nun unabdingbar geworden.

Im Andenken an die Glaubenszucht seiner strengen Großmutter enthält die Hofordnung viele einzelnen Maßnahmen, die den Alltag bestimmten, so z. B. dass man während der Predigt nicht spazieren gehe, auch nicht "die Zeit mit Schwätzen zubringen, sondern dem Gottes-Dienst von Anfang bis Ende andächtig beywohnen" solle.

Der "Burgfrieden" war oberstes Gebot, Duelle streng verboten, für Streitigkeiten war der Hofmarschall zuständig, der im Namen des Fürsten Richter in erster Instanz war und einen einflussreichen Posten einnahm.

Nicht weniger entschieden klingt die "Vermahnung zum sechsten Göttlichen Gebot". "Demnächst befehlen wir ebenmäßig, sich gebührender Zucht, Erbar- und Keuschheit solcher Enden, sonderlich gegen Weibs-Personen, mit Worten, Geberden, vorderist aber mit Werken und Thaten zu befleißigen, sollte sich aber, wider Versehen, begeben, dass Jemand ... vorab mit Personen, so um Frauenzimmer bedienstet, in Ehebruch oder Unzucht, Verführ- oder Verkuppelung und dergleichen Laster sich vergreiffen würde, gegen Den- oder Dieselbe wollen Wir die in Unserer Constitution und Satzung ... verordneten Strafen schärfen."

Grund für menschliches Vergehen sei das immer wieder zitierte "unnötig Gesäuf" oder das Kartenspiel, freilich nur für die Bediensteten, nicht für die "Cavaliers". Verboten war "alles Tabac-Rauchen in sämtlichen Unseren Häusern", für die Hofdiener "unnöthiges Disputieren". "Welcher sich mit Geschwätz und Geschrey unzüchtig oder mit Vollsaufen, Fluchen oder sonsten ungebührlich zeigt", erhält gebührende Strafen.

Strenge Regeln galten auch den Tischsitten für den Adel: pünktliches Erscheinen, Platznehmen nach einer Sitzordnung, nicht vorzeitig mit Trinken anfangen, nicht vorzeitig die Tafel verlassen, bis der Markgraf sie aufhebt und dann zur Aufwartung bereit sein.

Es wurde sparsam gewirtschaftet. Keinen Fremden soll man "zu den Mahlzeiten führen", Kinder der Bediensteten haben nicht zu suchen, auch keine Hunde. Die "Abgabe Brod, Thée, Caffée, Zucker und Lichter" wird präzise berechnet wie auch der "Abtrag der Speisen". Diese Tafelreste wurden an "arme und bedürftige Personen abgegeben." Immer wieder endet eine der "Vermahnungen bey Straf und Gefängniß", wenn die Zucht nicht eingehalten wird, denn ein tragender Gedanke findet sich unter der Ziffer 50: "Es sollen sich auch Unsere Hof-Bediente gegen Unser Unterthanen … allergeziemender Bescheidenheit befleißigen, des Zanckens und Haderns sich müßigen, noch sich dessen, dass sie in Unseren Diensten stehen, zu einigem Anlaß dienen lassen, Andere zu verachten oder grob zu tractieren".

Der Hof soll Vorbild sein in seiner christlichen Haltung, in Bildung, Moral und Gesetzestreue, als ein Entwurf, den Carl Friedrich 1764 noch einmal in einer Liste fixiert, wie man einen Staat gut regieren soll, ein Musterbeispiel für den aufgeklärten Monarchen, der sein Volk zur Sitte und Ordnung führen will. Eine Zeit schrecklicher Kriege am Oberrhein lag hinter ihm, der Wiederaufbau einer ruinierten Kulturlandschaft dauerte lang, Sicherheit und Zuversicht verlangte die Bevölkerung. Ohne Makel, ohne Willkür der Macht, ohne militärischem Kult wollte Carl Friedrich regieren, mit soliden Finanzen, sozialen Reformen und blühender Wirtschaft zum "glücklichsten und best eingerichteten Staat der Welt" hinführen, wie der "Sturm-und-Drang" Dichter Christian Schubart ihn charakterisierte, freilich unter monarchischem Patriarchat. So ist die Hofordnung eine Quelle für das große Ganze, das auch das spätere Großherzogtum Baden unter Friedrich I. bestimmen sollte.

Dr. Leonhard Müller

Der Autor ist Historiker und lebt in Karlsruhe.

 

Der vollständige Text der Hofordnung von 1750 ist veröffentlicht in: Veronika Bunk: Karlsruhe - Friedenstein. Family, cosmopolitanism and political culture at the courts of Baden and Sachsen-Gotha-Altenburg (1750-1790), Stuttgart 2011, S. 215-234.

-

Kopieren Kopieren Schreiben Schreiben